Biologie und Fluoreszenz
Ich möchte hier kurz auf eine - wie ich finde - interessante Frage eingehen:
„Warum fluoreszieren Korallen eigentlich?“ - „Was nützt es den Korallen zu fluoreszieren?“

Ich muss gestehen, dass meine Meinung vor einigen Jahren ausschließlich durch die Sichtweise des Physiklehrers geprägt war: Im Rahmen der Atomphysik bespreche ich mit Schülern der Sekundarstufe II unter anderem auch die Fluoreszenzerscheinungen bei Mineralien. Hier zeige ich ihnen u.a. ein Stück pechschwarze Kohle, dass unter UV-Licht golden fluoresziert, oder einen klaren Bergkristall, der unter UV-Licht blau fluoresziert usw. In jedem Fall kann ich den Schülern auf der Grundlage von Theorien aus der Quantenphysik erklären, warum diese Fluoreszenzerscheinungen auftreten. Niemand kommt hier auf die Idee zu fragen, was es den Mineralien nützt, wenn sie so wunderbar fluoreszieren. Daher war ich lange Zeit der Ansicht, dass man auch Lebewesen zubilligen muss, Eigenschaften zu haben, die ihnen weder schaden noch nützen, d.h. das Lebewesen Eigenschaften haben können, denen kein Zweck zugrunde liegt.

Ins Wanken kam meine Überzeugung unter anderem aufgrund eines Artikels von Anthony Calfo im amerikanischen Online-Magazin „Reefkeeping“[1]. Calfo geht genau der Frage nach, was den Korallen die Fluoreszenz nützt. Er verweist zunächst darauf, dass die Biologen mittlerweile wissen, dass solche Korallen Fluoreszenz-Proteine erzeugen, die in ihrem Inneren auch Zooxanthellen beherbergen. Dann schreibt er weiter, dass die Fluoreszenz-Proteine vielleicht (!) zum Teil dazu benutzt werden, Licht je nach Bedarf zu reflektieren oder zu emittieren. So wie einige Pigmente, die die Korallen farbig erscheinen lassen, vielleicht (!) dazu dienen, überschüssiges Licht von Korallen der Flachwasserzonen „wegzureflektieren“, so mögen die Fluoreszenz-Proteine dieselbe Aufgabe nicht auf dem Wege der Reflexion sondern auf dem Wege der Fluoreszenz erledigen. In Tiefen, in denen Korallen wenig Licht zur Verfügung steht, erweitert die Fluoreszenz die für die Zooxanthellen nutzbare Menge an Licht, da das auftreffende, energiereichere - und damit für die Photosynthese nicht brauchbare - Licht durch die Fluoreszenz in energieärmeres Licht transformiert wird und so der Photosynthese zur Verfügung steht. Diesen Prozess beschreibt Calfo mit dem Ausdruck „Licht-ernten“ („light-harvester“).
[1] Anthony Calfo, Magnificient Fluorescence! Aquaristic Perspectives, Reefkeeping 2005/11, www.reefkeeping.com

Für die Richtigkeit dieser Annahmen spricht, so Calfo, dass Korallen, die aus den hellen Flachwasserzonen stammen und im Labor bei geringerer Lichtintensität und geringer UV-Belastung gehalten werden, ihre Farbe verlieren können: Das Fehlen des ursprünglich in der Natur vorhandenen Lichts führe dazu, dass keine Fluoreszenz-Proteine mehr hergestellt werden. Bei Korallen der tieferen Zonen trete ein Farbverlust auf, wenn sie im Aquarium zu hell gehalten werden. Hier ist die Produktion „Licht-erntender“ Fluoreszenz-Proteine überflüssig geworden, da ja genügend Licht vorhanden ist. Eine Verringerung der Dichte der Fluoreszenz-Proteine führe dann dazu, dass die braune Färbung der Zooxanthellen immer sichtbarer wird. Zwar seien dies nicht die einzigen Gründe, aus denen Korallen ihre Farbe verlieren, aber es seien Einflüsse, die oftmals eine Rolle spielen.

Bereits an den beiden zitierten „vielleicht“ wird deutlich, dass die von Calfo dargestellten Zusammenhänge wissenschaftlich offenbar noch nicht gesichert sind. So verwundert es nicht, wenn Calfo seine Ausführungen mit dem Satz beendet: „Ganz gleich welche, falls überhaupt eine, der genannten Funktionen der Fluoreszenz-Farbstoffe - Reflexion von überschüssigem Licht oder „Licht-Ernter“ - zutreffen, gilt gewiss, dass bestimmte Eigenschaften des Lichts die Produktion der Fluoreszenz-Proteine stimuliert.“
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass es umfangreiche, höchst wissenschaftliche Beiträge zum Thema Fluoreszenz bei Korallen auf einer weiteren amerikanischen Seite gibt: www.advancedaquarist.com. Hier ragen besonders die Beiträge von Dana Riddle heraus. Wer sich also für tiefere wissenschaftliche Aspekte dieses Themas interessiert, dem seien die unten aufgeführten Artikel [1] empfohlen.
[1] Dana Riddle, Coral Coloration, Fluorescence: Part 1, Sep. 2006.
Dana Riddle, Coral Coloration, Fluorescence, Part 2: Pigments 510-565nm, Nov. 2006
Dana Riddle, Coral Coloration, Part 4: Red Fluorescence, Feb 2007